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14.04.2015 Brunsbrocker Abend

„Luther - Friedensbringer oder Unruhestifter“
Was hat die Reformation uns gebracht?
 

Im Hinblick auf das Reformationsgedenken im Jahr 2017 war am 14. April Prof. Dr. theol. Christoph Barnbrock, Dozent an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), zu einem Vortragsabend unter dem Titel "Martin Luther - Friedensbringer oder Unruhestifter?" zu Gast im Müllerhaus in Kirchlinteln-Brunsbrock eingeladen. Rund 40 Besucherinnen und Besucher nahmen an diesem 18. Brunsbrocker Abend der örtlichen St. Matthäus-Gemeinde der SELK teil.
In seinem Vortrag, an den sich eine von SELK-Ortspfarrer Andreas Otto geleitete lebendige Aussprache anschloss, beleuchtete Barnbrock sowohl problematische Aspekte im Werk und Wirken Martin Luthers als auch dasjenige, was sich an bedeutsamen Weichenstellungen bis heute zu berücksichtigen lohnt.
Nach einer Überlegung, ob 2017 ein "Reformationsjubiläum" oder ein "Reformationsgedenken" zu feiern sei, begann der Referent mit einem Überblick über Luthers Leben. Er betonte, dass der Reformator zu allen Zeiten sehr unterschiedlich wahrgenommen worden sei und dass dies bis heute so geblieben sei. Dabei sei es Luther nie darum gegangen, eine neue Kirche zu gründen.
Sehr polemisch konnte Luther werden mit Worten wie "Antichrist" für den Papst. Er hatte keine Toleranz für Andersgläubige wie die "Wiedertäufer".  Aber letztlich sei er sich auch dessen bewusst gewesen, dass "solch elende Leute, nicht ermordet, sondern einen jeglichen glauben lassen, was er wollte; er würde schon die Strafe in Gottes Gericht bekommen." Eine Aussage Luthers, die verdeutlichen soll, dass es letztlich nicht menschliche Sache ist zu richten, sondern dass Gott das Urteil spricht. Barnbrock betonte dabei, dass diese harten Äußerungen Luthers auch einer anderen Diskussionskultur geschuldet seien, da man im 16. Jahrhundert anders debattiert habe, als heute. Immer war es für Luther wichtig, dass Christus und sein Wort im Mittelpunkt standen.
Sodann schnitt Barnbrock einige konfliktträchtige Themen aus der Zeit Luthers an. Gerade dessen Aussagen in Bezug auf die Bauernkriege des 16. Jahrhunderts oder aber das Verhältnis zum Judentum stellen den Reformator immer wieder in ein schlechtes Licht. Barnbrock versuchte dabei nicht, Martin Luther zu verteidigen, zeigte aber immer wieder auf, was ihn damals in seiner Meinung bewegt habe und machte so die Denkweise Luthers verständlich.
So verdeutlichte der Referent beispielsweise im Zusammenhang der Bauernkriege, dass Luther vor allem von der Sorge bewegt gewesen sei, dass das Wort Gottes nicht weitergetragen werden würde, wenn die Situation zwischen den Freiheitskämpfern um Thomas Müntzer, die den Machtmissbrauch der Fürsten kritisierten, und den politischen Herrschern zu eskalieren drohte. Das war der Grund für Luther, die Fürsten zur Niederschlagung des Konflikts aufzufordern, dessen blutigen Ausgang und Ende er so auch nicht habe gutheißen können.
Meinungen, nach denen Luther auch dem Antisemitismus des Naziterrors den Weg bereitet hätte, erklärte Barnbrock eine klare Absage. Es sei dem Reformator stets um religiöse Konflikte und nicht um die "Rasse-Konflikte" gegangen. Das werde unter anderem dadurch deutlich, dass Luther davon rede, dass "Jesus ein geborener Jude" sei. Jüdische Gelehrte halfen ihm bei der Übersetzung des Alten Testamentes. Immer habe Luther dabei das Ziel im Blick gehabt, dass sich die Juden für eine reformatorische Kirche gewinnen lassen würden. Als das allerdings nicht geschehen sei, habe er auch aus Wut eine zunehmend antijudaistische Position bezogen, allerdings keine antisemitische.

Zum Schluss spannte Barnbrock einen Bogen zur heutigen Zeit und stellte die Frage, ob und inwiefern die Fragen Luthers auch heute noch aktuell seien. Dass die Hauptfrage Luthers nach einem gnädigen Gott heute kaum noch gestellt werde, höre man immer wieder, so der Praktische Theologe. Heute frage man sich eher: "Wie stehe ich vor anderen da? Ich will nicht gerecht werden, sondern mich nicht schämen müssen!" Dennoch  tauche die Frage nach Schuld und Verantwortung immer wieder auf. Als aktuelles Beispiel verwies er auf den Absturz der German-Wings-Maschine in den französischen Alpen. Dort werde keineswegs gesagt "Sowas passiert eben", sondern es werde nach Schuld und nach Schuldigen gesucht. Der Gedanke, dass jeder sich für seine Taten einmal werde verantworten müssen, komme heute noch genauso auf wie schon zu Zeiten Luthers.
Dabei könne es allerdings nicht darum gehen, Luther als Denkmal oder als Museum statisch zu betrachten, sondern vielmehr das zu tun, was ihm selbst am Herzen lag: Seine Thesen auch heute ins Gespräch zu bringen.
Die Vergebung und Liebe Gottes sei Luthers Herzensanliegen gewesen und müsse auch heute verkündet werden. Dabei seien Kirche und Gesellschaft aber nicht zwei voneinander unabhängige Größen, sondern bedingten einander. Der Christ lebe seinen Glauben auch im Alltag und trage hier seine Verantwortung, in einem jeden "Be-Ruf", in den er von Gott gestellt sei. Dies sei Luther sehr wichtig gewesen, sodass er einmal festgehalten habe: "Windelwechseln ist frommer als Mönchsein."

Dies war der 18. Brunsbrocker Abend insgesamt und zugleich der zweite Abend zum Thema "Luther". Nach der Sommerpause soll die Reihe fortgesetzt werden und Themen aus der Reformationszeit näher beleuchtet werden.

Edith Degen